Die Beatsteaks im Kassablanca. Foto: Paul Gärtner

Lokschuppen mit Weitblick

Das Kassablanca als größtes Soziokulturelles Zentrum Thüringens steht auf einem früheren Bahngelände am Jenaer Westbahnhof.

Das heutige Kassablanca ist ein Resultat der wilden Umbruchzeit im Zuge der politischen Wende von 1989. Junge subkulturell Engagierte nutzten die Gelegenheit, aus ihrem Nischendasein herauszutreten und ihre Ideen und Kulturprojekte, die einst unter dem Dach der Jungen Gemeinde Stadtmitte Platz fanden, selbst in die Hand zu nehmen und umzusetzen. 

Im Jahr 1990 gründete sich der Vorgängerverein Organisation Kultur, um Konzerte, Diskotheken und Club-Abende zu veranstalten. Einige Jahre mäanderte er auf der Suche nach einem passenden Ort durch die Stadt und fand 1994 auf dem alten Bahngelände mit Lokschuppen und Wasserturm ein geeignetes Domizil. Mit der Umbenennung des Vereins im April 2000 in Kassablanca Gleis 1, findet sich seitdem die neue Heimat auch in dessen Namen wieder.

Das „Kassa“ hat mit mehr als 400 Veranstaltungen im Jahr viel Soziokultur im Repertoire. Das reicht von Live-Konzerten und Club-Abenden über Kino und Theater bis hin zu Poetry-Slams. Auch gesellschaftspolitisches Engagement hat einen festen Platz. Das zeigt der restaurierte sowjetische Güterwagen von 1928/29, der im Jahr 2017 als Gedenkort auf dem Gelände eingeweiht wurde. Während des Zweiten Weltkrieges wurden in Wagen dieses Typs nicht nur Rüstungsgüter transportiert, sondern auch Juden, Zwangsarbeiter und sogenannte Reparationsverschleppte deportiert.

Einmalig auf dem Westbahnhofgelände sind sicher auch die anderen alten Bahnwaggons hinter dem Turm. Diese werden von Graffitikünstler*innen als legale Flächen genutzt und bekommen dadurch ständig einen neuen Look. Oder der ehemalige Mitropa-Schlafwagen, der nun als extravagante Künstlerunterkunft dient.

Ob Programmgestaltung, Workshop oder Bundesfreiwilligendienst, Interessierte finden im Kassa vielfältige Möglichkeiten für Mitgestaltung und ehrenamtliches Engagement. Dadurch entwickelt es sich stetig weiter. Das Geheimnis: Stillstand gibt es nicht, aber man gibt den Dingen Zeit und Raum.