XXVI. Theaterherbst: "Die Verwandlung". Foto: Karsten Schaarschmidt

Den Faust mal selber spielen

Beim Greizer Theaterherbst erobern Laien und Profis gemeinsam die Bühne – und die steht zuweilen in einer alten Fabrikhalle.

Im September 1992 hob sich erstmalig der Vorhang des Greizer Theaterherbstes. Seither arbeiten jährlich in verschiedenen Werkstätten Amateure aus der vogtländischen Region mit renommierten Bühnenprofis zusammen. Gemeinsam entwickeln sie im Sommer in mehrwöchigen Proben Schauspiel- und Tanzinszenierungen, Musicals oder Performances. Das ist Theater mit und für die Menschen.

Im Mittelpunkt steht dabei die soziokulturelle und interdisziplinäre Arbeit mit Leuten unterschiedlichen Alters und sozialem Status. Kurz: Wer Lust hat, endlich einmal den Faust zu spielen, sich als Julia auf dem Balkon von Romeo anhimmeln zu lassen oder aber die eigene Biografie in eine neue Geschichte einzubauen und auf die Bretter, die bekanntlich die Welt bedeuten, zu bringen, ist beim Greizer Theaterherbst genau richtig. Eingeladen zum Mitspielen sind Arbeiter gleichermaßen wie Hochschulabsolventen, Arbeitslose oder Migranten, Kinder und Jugendliche, ältergewordene Junge und junggebliebene Alte.

Das Ergebnis der Proben wird in der Festivalwoche im September dem auch aus dem weiteren Umland angereisten Publikum präsentiert. Zusätzlich zu den Werkstatt-Premieren sind ins Programm der Festivalwoche Gastspiele bekannter nationaler und internationaler Theatergruppen integriert. Diese Mischung aus selbstentwickelten Inszenierungen und Gastauftritten in der Form eines Festivals ist deutschlandweit einzigartig.

Für seine Aufführungen nutzt das Festival oft außergewöhnliche Spielorte im urbanen Raum. Neben dem Theaterherbst realisiert der gleichnamige Verein das Greizer Jazz-Werk, ein internationales Festival für Genres vom Jazz bis zum Experiment, das jährlich im Mai Musik-Fans aus ganz Mitteldeutschland anlockt.

Als weitere feste Säule des Vereins hat sich die Ganzjahresschauspielwerkstatt etabliert, in der die Mitwirkenden Stücke, Sketche, Walkacts oder Performances für verschiedenste Anlässe erarbeiten. Im Pandemie-Jahr 2020 entwickelte der Theaterherbst weitere Formate, wie „Kultur am Fenster“, den Podcast „Geschichten am Fenster“ sowie verschiedene
digitale Reaktionsketten zu Wort, Bild und Film. Alle neuen Formate sollen auch zukünftig fortgeführt werden.